Aus gegebenem Anlaß und zu Ihrem Schutz müssen wir heute außerplanmäßig eine dringende Warnung aussprechen. Der eigentlich an dieser Stelle vorgesehene Abdruck der beliebtesten Weihnachtslieder vorchristlicher Wanderprediger muß daher auf den Sanktnimmerleinstag verschoben werden. Doch – besser spät als nie, wie es so zutreffend heißt.
Zum Eigentlichen: Gerade jetzt, in dieser vorweihnachtlichen Zeit, da die Herzen weich und die Geldbörsen weit werden, treibt ein Ring hochprofessionell arbeitender Gemüsefälscher sein Unwesen und überschwemmt den Markt mit Falschgemüse, wobei sich die Verbrecher namentlich auf die perfekte Nachbildung von Karotten spezialisiert haben. Diese Imitate sind oft dermaßen gut, daß im allgemeinen ausschließlich ausgewiesene Fachleute in der Lage sind, jene als welche beziehungsweise diese als solche überhaupt zu identifizieren. Also wir. Anbei einige erläuternde Photographien, die unser Nebenerwerbsdokumentarist B. angefertigt hat, siehe Abbildungen 1 bis 9. Und wenn Sie denken, 'Ach, Unfug, das sind doch alles tadellose Möhren, wenn nicht gar Karotten', dann zeigt dies umso deutlicher, wie unglaublich versiert und sachkundig die Täter hier zu Werke gehen! Selbst wir haben zuweilen die allergrößte Mühe, Fälschung und Original zu unterscheiden. Im Zweifel geben wir die entsprechenden Exemplare –so beispielsweise die gelbliche Doppelmöhre, siehe Abbildung 10 und 11– in unser Labor, wo wir sie mit unseren hochpräzisen Analyseverfahren untersuchen, siehe Abbildung 12. Im Falle besagter Doppelmöhre sind wir uns bislang allerdings nicht ganz sicher, ob es sich hier tatsächlich um eine Fälschung handelt; die Untersuchungen laufen noch.
Und weil es der Ernst der Situation geradezu zwingend erforderlich macht, haben auch wir nun einen Krisenstab. Die Bastelanleitung fanden wir im Internet, den Buchenholzstab in Muttis Besenschrank. Bezüglich der konkreten Anwendung tappen wir derzeit noch im Dunkeln, aus Gründen der Geheimhaltung können wir Ihnen hierzu jedoch nichts Näheres berichten, wir bitten um Verständnis.
Die Gewinnmargen der Gemüsegauner müssen geradezu astronomisch sein, folgt man den Berechnungen unseres statistischen Institutes, welches mit zwei Hochleistungsrechnern vom Typ C 64 ausgestattet ist. Bei einem fehlen zugegebenermaßen ein paar Tasten auf dem Keyboard ('Aber echt nur unwichtige!', wie uns unser IT-Spezi B. auf Anfrage versichert) und beim anderen ist das Netzteil perdu, doch unserer Erfahrung nach tut das dem Ganzen keinen Abbruch. Da wir mit unseren jüngsten Ergebnissen indes so recht nichts anfangen können, haben wir sie auf einer Diskette abgespeichert, diese mit einem Stein beschwert und im Kanal hinter unserer Wattenscheider Niederlassung versenkt, damit sie keinesfalls in die Hände der Verbrecher gelangen kann! Wie Sie sehen, ist uns für Ihre Sicherheit kein Aufwand zu groß, wie wir an dieser Stelle einmal bescheiden anmerken möchten. Zudem hat unser Geheimagent B. auf seiner 2600er Kriminalkonsole ein Phantombild des Anführers der Fälschertruppe generieren können, siehe Abbildung 13. Leider ist es reichlich unscharf und sieht auch niemandem ähnlich, den wir kennen. Trotzdem sollte es uns nicht wundern, wenn dieses Verbrechen bis in höchste Ebenen der Politik hineinwurzelt, denn es ist keinesfalls auszuschließen, daß hinter den Kulissen die OGM (die Obst-und-Gemüse-Mafia) die Strippen zieht! Von unserem Geheimagenten existiert naturgemäß überhaupt kein Photo, noch nicht einmal ein unscharfes, und wir wären Ihnen wirklich sehr verbunden, wenn die Sache unter uns bleiben könnte und Sie sie nicht an die große Glocke hängen. Sollten Sie betrüblicherweise irgendwie in den Besitz von Fakemöhren gelangt sein, so können Sie uns gerne ein Photo davon zusenden; wir werden es umgehend löschen, womit der Fall dann erledigt sein sollte. Weitergehende, sachdienliche Hinweise bitte an die zuständige Soko unter der bewährten Leitung von Wachtmeister Dimpfelmoser.
Nun – was soll man sagen, was kann man tun? Das ist wirklich eine schlimme Geschichte, und die Umstände sind dieser Tage ohnedies schon hart genug! Eine exponentiell ansteigende Gemüsekriminalität hat uns da gerade noch gefehlt. Aber Kopf hoch, es gibt keinen Anlaß, zu verzweifeln, denn die Lösung des Problemes ist ebenso naheliegend wie einfach, und im Bewußtsein unserer gesellschaftlichen Verantwortung möchten wir Ihnen dringend raten: Geben Sie Niedertracht und Verkommenheit keine Chance, erledigen Sie Ihre Einkäufe bei uns! Mit jeder Zwiebel, jeder Gurke und jedem Bund Möhren entscheiden Sie sich für das Gute in der Welt, für Integrität, für den Glauben an die Wahrheit, und nur hier bei uns können Sie auch zukünftig sicher sein, nicht Opfer dieser skrupellosen Bande zu werden; denn bei uns bekommen Sie das Echte, das Original, garantiert! Ist das nicht unglaublich beruhigend, in diesen so bewegten wie bewegenden Zeiten?