Die Katze muss da aber mal eben weg. Und wieso jetzt? Gemeint ist die Tischkatze. Die heißt Tischkatze, weil sie auf dem Tisch wohnt, auf dem in der Scheune. An dem der Basti sitzt und den Salat aufschreibt. Die Tischkatze hat ein nettes Tischhäuschen und ihren Futternapf, man könnte sich fast hinreißen lassen Tischfutternapf zu sagen. Tischkatze, Tischhäuschen, Tischfutternapf. Alles da, schöne Ordnung. Der Basti ist aber einfach nur der Basti, nicht etwa der Tischbasti. Wär´ ja noch schöner! Schließlich wohnt er nicht auf dem Tisch, zusammen mit der Katze gewissermaßen, sondern setzt sich nur dann und wann dran, um den Salat aufzuschreiben oder den Fenchel. Petersilie auch, Spitzkohl und -was gibt´s noch?- ah, Porree. Porree schreibt er auch auf. Am Tischkatzentisch. Aber wir schweifen ab, wo waren wir noch gleich? Stimmt, bei der Katze, die da mal eben weg muss. Da haben wir den Faden wieder. Also - die Katze müsste da mal eben weg.
Aber warum? Sie ist alt, achtzehn Jahre, heißt es, auch, wenn dies wohl nur eine ungefähre Schätzung ist. Nahezu blind ist sie auch. Das macht indes nichts, für ein Tischleben ist sie immer noch bestens gerüstet. Aber immerhin ist sie alt und alte Leute soll man nicht hin- und herschieben, das ist doch allgemein gute Sitte! Also, warum muss die da jetzt mal eben weg? Na, weil - wie sie da so liegt - unten am Bauch, da hat sie was, was weißes, ´n Zettel oder so. Aha, jetzt kommt mal endlich Licht in die Geschichte! Die Tischkatze liegt auf einem Zettel, so! Und auf diesem Zettel steht, was die Andrea heute alles bestellt hat. Und das will und muss der Basti wissen! Da kennt er kein Pardon, der Basti, hebt die Katze sanft hoch, wischt den Zettel unter ihr hervor und setzt sie genauso sachte wieder ab. So geht der Basti mit der Tischkatze um. Und mit den Leuten um ihn herum auch. Und mit den Sachen, die so auf den Äckern ringsrum wachsen. Und mit dem Zettel in der Hand und ein paar aufmunternden Worten an seine Leute macht er sich nach der Mittagspause wieder auf den Acker.
Und die Katze? Die macht erstmal´n Schläfchen, auf dem Tisch, nach der ganzen Aufregung. - Tja, so geht es zu, auf dem Trantenrother Hof. Sanft eben. Ob´s da noch mehr zu erzählen gibt? Na klar gibt´s, jede Menge! Wie heißt die Katze denn überhaupt? Und - wer ist Andrea? Aber irgendwo muss man ja anfangen ...
Katze aus´m Sack
Es wäre wohl endlich an der Zeit, den Namen der Tischkatze vom Trantenrother Hof preiszugeben, will mir scheinen. Was meinen Sie? Ich sehe sie vor mir, wie sie dort auf dem Tisch liegt, ein wohlverdientes Schläfchen hält, dann und wann träge mit den Augen blinzelt, zwischen halbgeschlossenen Lidern hindurch erspäht, ob sich draußen vor der Scheune auf dem Hof irgendetwas tut, dort, im grellen Sonnenlicht... Jedes Schläfchen einer Katze ist wohlverdient, haben Sie das gewußt? Ich weiß gar nicht, warum das so ist. Aber so ist es. Manchmal tut das Warum nichts zur Sache. Es hilft uns nicht weiter. Die Dinge haben ganz einfach eine innere Gesetzmäßigkeit, und vielleicht bildet sich hier im Kleinen jene wunderbare kosmische Ordnung ab, die auch wir bisweilen in glücklichen Momenten erfahren, und deren schlichte, tiefe Schönheit sich uns wortlos offenbart, jenseits aller kleinmütigen Logik ...
Da liegt sie also auf dem Tisch, in einem herrlich weichen Knäuel aus Fell und warmem Atem in sich selbst verschlungen, Klara, die kleine, alte Tischkatzendame. Oh, da war er, haben Sie´s mitgekriegt? Nun ist er endlich raus, der Name: Klara. Und doch und wie so oft ist auch dieser Name nur die halbe Wahrheit. Namen werden irgendwann verliehen und nicht selten machen sie Metamorphosen durch, werden verschliffen von der Zeit, werden verulkt, verunstaltet oder auch verkürzt, weil man irgendwann doch einsehen muß, daß ein Hajo sich besser rufen läßt als ein Hans-Joachim, werden angepaßt an jenes Wesen, dem sie einst ein erstes Obdach gaben im Meer der Anonymität. Mag sein, daß Klara ihren Namen in ihren jungen Jahren zur Gänze ausfüllte. Doch jetzt, sagt Basti, nennt sie niemand mehr Klara, jetzt heißt sie eigentlich Klärchen. Ja, und das paßt sehr gut, meine ich, da braucht man gar nicht lange drüber nachzudenken. Klärchen. Tante Klärchen. Ja, unbedingt! Tante Klärchen, das samtene Leben auf dem Tisch, schlummernd auf Andreas Bestellungen, weich zu beiden Seiten von Bastis Hand herabfließend, wenn er sie wieder einmal bestimmt, aber doch zärtlich anheben muß auf der Suche nach was auch immer. Tante Klärchen, die schläfrig beobachtet, wie der weiße Lieferwagen vom Acker kommend die flirrende Stille zerdieselt und auf den Hof einbiegt, und wie sie nacheinander aussteigen, matt, erhitzt, der Basti und die Gisa und der Jens, und die vielen Kisten ausladen und aufstapeln und nochmal ordentlich mit dem Schlauch abspritzen. Und in den Kisten all´ das, was Andrea bestellt hat: Fenchel und Porree. Salat. Stangenbohnen. All´das, was jetzt erntereif ist.
Und wenn ich Ihnen jetzt noch -jetzt, wo wir also den Tischkatzennamen haben- wenn ich Ihnen jetzt noch -gewissermaßen eine nur mir bekannte Abkürzung nutzend- sagen würde, die Andrea, auf deren Zetteln sich offenbar so gut schlummern läßt, die ist ein ganz feiner Mensch - würde Ihnen das ausreichen? Würden Sie denken, na, das wurde aber auch Zeit, daß wir diese ominöse Zetteldame endlich kennenlernen durften? Nein, würden Sie nicht, da mache ich mir nichts vor. Da werde ich wohl gehörig nachlegen müssen ...